Klinische Integration der fokussierten Notfallsonographie: neue Möglichkeiten?



Abb. 2.1
Einsatzgebiete der Notfallsonographie: Für die meisten Verfahren gibt es sogenannte Ultraschallprotokoll e, die in den klinischen Kontext integrierbar sind (E‑FAST: extended fokussiertes Assessment mit Sonographie bei Trauma , FAST: fokussiertes Assessment mit Sonographie bei Trauma , FALLS: fluid administration limited by lung sonography , VCI: V. cava inferior, TBVT: tiefe Beinvenenthrombose, BLUE: „blauer Patient mit Dyspnoe“, TRUE: tracheal rapid ultrasound exam ; FEEL: fokussierte echokardiographische Evaluation bei life support )



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Abb. 2.2
Anwendungen für Echtzeitbildgebung und klinische Entscheidungsprozesse (TBVT: tiefe Beinvenenthrombose, E‑FAST: extended fokussiertes Assessment mit Sonographie bei Trauma, CPR: cardiopulmonale Reanimation, EMD: elektromechanische Dissoziation, PEA: pulslose elektrische Aktivität)

Damit ergaben sich in den letzten 10 Jahren neue sog. Point-of-care-limited-ultrasound-Anwendungsformen (Moore und Copel 2011), die als fokussierte Ultraschallprotokolle wie FAST(fokussiertes Assessment mit Sonographie bei Trauma), E‑FAST (extended fokussiertes Assessment mit Sonographie bei Trauma), FEEL (fokussierte echokardiographische Evaluation bei life support), PLUS (point of care limited ultrasound), BLEEP, CLUE, RACE, TRUE, FOCUS, PREP, RUSH, BLUE, FALLS (fluid administration limited by lung sonography) u.v.m. vorgestellt wurden. Für diese Protokolle ist kennzeichnend, dass sie für bestimmte klinische Szenarien zur Differenzialdiagnostik entwickelt wurden (u. a. Hypotonie, Schock oder Trauma oder für den zyanotischen Patienten usw.), und dabei einerseits ein strukturiertes Vorgehen mittels Sonographie beinhalten, andererseits aber in klinische Prozesse integriert werden mussten. Notfallsonographie unterscheidet sich daher von der traditionellen Sonographie (◘ Abb. 2.3) und ist als zwischen den Fachgebieten vermittelnde, interdisziplinäre Methode („von jedem Fachgebiet ein bisschen“) zu verstehen, die auch genauso außerhalb von zeitkritischen Szenarien in Ambulanzen in Kliniken oder Praxen eingesetzt werden kann.


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Abb. 2.3
Konzept der Integration der Notfallsonographie in die frühen klinischen Abläufe, ab Aufnahme eines Patienten. Hierdurch ist eine Beschleunigung der ärztlichen Entscheidungsprozesse möglich. Die personalisierte Untersuchung stellt die höchste Form der Integration dar, da die Benutzung des Ultraschalls mit der Aufnahmeuntersuchung und den daraus folgenden Entscheidungen und Therapien zeitlich quasi verschmilzt


2.1.1 Notfallsonographie in den klinischen Kontext eingebettet


Notfallsituationen sind variabel hinsichtlich des Ortes und der anatomisch-physiologischen Region des Körpers. Neben anamnestischen Informationen gibt es weitere Befunde aus anderen Methoden (EKG, Labor). Ähnlich wie bei der Anfertigung eines EKG oder Laborwertes, geht es daher insbesondere um die Bewertung des klinischen Kontexts mit Hilfe der Sonographie und nicht um die Erzeugung von Schnittbildern oder Sonographiebefunden. Die Sonographie wird so als integrierte Bildgebung und direkte Informationsquelle vor allem im (akuten) klinischen Entscheidungsprozess genutzt. Dies stellt einen Paradigmenwechsel in der Methodik der Sonographie generell dar, da nicht die Sonographie als diagnostisches Verfahren zur Differenzierung bereits bestehender Befunde im Vordergrund steht, sondern die Ersteinschätzung der klinischen Notfallsituation in Echtzeit (◘ Abb. 2.3). Im Verständnis für diese Methode hilft die Notfallsonographie innerhalb des klinischen Behandlungsablaufs einerseits Diagnosen sofort stellen zu können, andererseits aber auch die Anzahl möglicher Differenzialdiagnosen zu vermindern.

Zum besseren Verständnis ist daher eine genauere Betrachtung der Prozesse in der Akutversorgung von Bedeutung.


2.1.2 Konventionelle Sonographie versus klinische Integration


Die konventionelle (traditionelle) Sonographie, die systematisch in einem Ultraschalllabor durchgeführt wird (◘ Abb. 2.4), kann durch die klinische Integration der Notfallsonographie nicht ersetzt werden. Andererseits kann die Notfallsonographie nicht mit einer konventionellen Sonographie gleichgesetzt werden. Der Einsatz der Notfallsonographie profitiert von der Integration in klinische Arbeitsprozesse (um besser zu planen oder Risiken zu minimieren) und eröffnet neue Anwendungsmethoden und Entscheidungen (◘ Abb. 2.5), die aus zeitlichen und logistischen Gründen von einer konventionellen Sonographie nicht geleistet werden können. Die besten Beispiele hierzu sind die Integration in zeitkritische Abläufe mit hohem Entscheidungsdruck, wie z. B. Schockraumversorgung beim Trauma (Jayaraman und Sethi 2009), Airway ultrasound (Zechner und Breitkreutz 2011, ◘ Abb. 2.6) und das „Schock-Assessment“ bei instabilen Patienten (Breitkreutz et al. 2007).


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Abb. 2.4
Der Einsatz der Notfallsonographie ist mit einem Paradigmenwechsel verbunden: Es findet eine engere klinische Integration statt


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Abb. 2.5
Entscheidungen durch vorgezogene Diagnostik am Unfalleinsatzort: Konsequenzen des Nachweises von freier abdomineller Flüssigkeit am Beispiel der FAST-Untersuchung. Innerklinisch hat die FAST-Untersuchung im Schockraum ähnliche Entscheidungs- und Therapiekonsequenzen (FAST: fokussiertes Assessment mit Sonographie bei Trauma)


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Abb. 2.6
Flussschema der Integration eines einfachen Airway ultrasound für die Überprüfung der Tubuslage. Zuerst wird im unteren Halsbereich quer aufgesetzt und die Trachea dargestellt. Bei Echtzeitbeobachtung während der Tubusinsertion kann eine „doppelte Trachea“ (double tract sign), die eine ösophageale Fehlintubation bedeutet, sofort identifiziert werden (rechtes oberes Bild). Falls der Tubus tracheal platziert wurde, kann durch einfache Beobachtung des Lungengleitens im M‑Mode auf dem rechten und linken anterioren Thorax auch die endobronchiale Fehlintubation nachgewiesen werden (rechts unteres Bild: nur Lungenpuls sichtbar)



2.2 Technische Voraussetzungen für die klinische Integration: personalisierte Anwendung


Ein Arzt kann Notfallsonographie selbst unmittelbar während der körperlichen Untersuchung anwenden (z. B. bei Dyspnoe und Verdacht auf Pleuraergüsse). Perspektivisch ist daher denkbar, während Visiten ein geeignetes transportables Ultraschallgerät einzusetzen. Im Idealfall hat ein Arzt ein eigenes Ultraschallgerät immer bei sich. Diese Maßnahme würde eine echte klinische Integration, ähnlich der Benutzung eines Stethoskops bedeuten. Als Unterstützung der klinischen Integration kann die technische Miniaturisierung von Laptop bis Kitteltaschengröße für eine zielorientierte Erweiterung der körperlichen Untersuchung dienen. Es kommt zum Verschmelzen der körperlichen Untersuchung und des Ultraschalls, also zum „Sonoskopieren“ (Roelandt et al. 1978). Die technischen Entwicklungen tendieren aktuell dahin, Kitteltaschengeräte mit akzeptabler Bildqualität zur breiten Anwendung zu bringen. Es erscheint denkbar, diese Geräte zukünftig zum Standardequipment der diensthabenden Akutmediziner zu machen, was einer Idealform der personalisierten Anwendung entspräche. „Personalisiert“ bedeutet auch, dass der behandelnde Arzt faktisch im Besitz eines eigenen Gerätes ist, welches immer mitgeführt und eingesetzt werden kann. Damit wäre ein stethoskopähnlicher Gebrauch etabliert, der sich als Sonoskopie weit über die Möglichkeiten der Untersuchung von Herz, Lunge und Abdomen einsetzen ließe.

In zentralen Notaufnahmen gibt es derzeit verschiedene technische Möglichkeiten: Abgesehen davon, dass auch heute noch Ambulanzen ohne Ultraschallgeräte ausgestattet sind, finden sich separate Behandlungsräume mit einem fahrbaren Gerät, die direkt mit dem Patienten angefahren werden können. Dies ist vor allem für hämodynamisch stabile, lagerbare oder mobile Patienten geeignet, die aufgrund eigenen Leidensdrucks eine Ambulanz aufsuchen. Der Patient kommt demnach in der traditionellen Weise zum Untersucher und Ultraschallgerät.

Im Gegensatz dazu besteht bei instabilen, nicht mehr beliebig transportierbaren Patienten die Notwendigkeit, Untersucher und Ultraschallgerät zum Patienten zu bringen. Eine zentrale Bedeutung für die klinische Integrierbarkeit hat dabei die Verfügbarkeit stromnetzunabhängiger, akkubetriebener Ultraschallgeräte, im Idealfall mit der Möglichkeit der Einbindung in das allgemeine Monitoring (◘ Abb. 2.7).


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Abb. 2.7
Für die technische Integration der Notfallsonographie ist eine funktionelle Integration der Geräte erforderlich (hier am Beispiel des Schockraums am Klinikum Frankfurt/Höchst)

Diese Gerätevoraussetzungen gelten für den symptomatischen Patienten für nahezu alle Akutsituationen (Notaufnahmen, präklinischer Bereich, Notfallteam, Intensivstation): Hier eignen sich ausschließlich mobile Geräte mit geringem Gewicht, die eine kurze Systemboot-Zeit (im besten Falle erheblich weniger als 60 sec) haben und durch wenige Adjustierungen und Schallkopfauswahl mit ausreichender Bildqualität sofort einsetzbar sind (d. h. ohne „hochgefahren“ werden zu müssen). Dabei ist auch für den Prozessablauf wichtig, dass sog. Presets voreingestellt und sofort abrufbar sind und das Gerät im absoluten Notfall auch ohne die Eingabe von Patientendaten genutzt werden kann. Intelligente Speicherroutinen sollten allerdings eine spätere Dokumentation und ein Postprozessieren der Untersuchungsergebnisse ermöglichen.

Kennzeichnend für die Integration der Methode der fokussierten Notfallsonographie in Prozess- und Behandlungsabläufe sind:

Apr 5, 2020 | Posted by in GENERAL RADIOLOGY | Comments Off on Klinische Integration der fokussierten Notfallsonographie: neue Möglichkeiten?

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