E-FAST



Abb. 3.1
Stellung der E‑FAST-Untersuchung im ATLS-Algorithmus (ATLS Advanced Trauma Life Support)


Die Untersuchung erfolgt fachunabhängig durch entsprechend qualifiziertes Personal und sollte baldmöglichst und, insbesondere bei hypotensiven Patienten, vor Beginn weiterführender Diagnostik (z. B. Computertomographie) durchgeführt werden.

Tipp

Dies bedingt, dass immer ein Ultraschallgerät mit Konvexsonde im Schockraum zur Verfügung steht.

Um die Notfallsonographie bereits präklinisch durchzuführen, muss ein für den mobilen Einsatz geeignetes Ultraschallgerät im Rettungswagen oder arztbesetzten Rettungsmittel vorgehalten werden. Eine gemeinsame Unterbringung des Gerätes mit Ultraschallkontaktgel und Einmaltüchern ist ratsam.



3.2.3 Standardanlotungen, Untersuchungsgang und Sonoanatomie


Der Standarduntersuchungsgang beginnt mit je einer anterioren Anlotung pro Hemithorax (◘ Abb. 3.2a, hier mit Lunge Position 1 [L1] und Lunge Position 2 [L2] benannt). Der Schallkopf wird im 3. oder 4. Interkostalraum in der Medioklavikularlinie in kraniokaudaler Orientierung aufgesetzt. Hier wird gezielt nach Hinweisen auf einen Pneumothorax gesucht (▶ Abschn.​ 11.​4). Dargestellt werden sollten 2 Rippen mit klarer Identifikation der Pleuralinie (das sog. bat-sign ). Zur Erhöhung der Sensitivität der Untersuchung kann der Schallkopf nach kaudal und lateral bewegt werden. In den thorakalen Anlotungen sollte eine geringere Eindringtiefe (z. B. 6–10 cm) gewählt werden. Zur Befunddokumentation eignet sich die Darstellung im M‑Mode (◘ Abb. 3.2b). Beide Anlotungen werden im Seitenvergleich untersucht.


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Abb. 3.2
Standardanlotungen und Untersuchungsgang E‑FAST. Begonnen wird mit je einer anterioren thorakalen Anlotung im Seitenvergleich (L1 und L2). Hierbei wird die Beurteilung im B‑Bild vorgenommen (2a). Zum sicheren Nachweis des Lungengleiten s und des Lungenpuls es kann der Befund im M‑Mode dargestellt werden (2b). Der M‑Mode eignet sich auch zur Befunddokumentation. Dann wird zu den FAST-Anlotungen übergegangen, wobei zunächst die subxiphoidale Anlotung des Herzens durchgeführt wird (Position FAST 6, 2c). Anschließend werden die abdominellen Anlotungen (FAST 1–5, 2d–i) in ihrer numerischen Reihenfolge untersucht

In der Folge wird im E‑FAST-Algorithmus das Herz von subxiphoidal untersucht (Position FAST 6, ◘ Abb. 3.2c). Hierbei wird der Schallkopf mit höherer Eindringtiefe (20 cm) unterhalb des Rippenbogens mit der Schallkopfmarkierung zur rechten Seite des Patienten aufgesetzt (Beachte: Schallkopfmarkierung am Bildschirm im Gegensatz zur Echokardiographie ebenfalls rechts!). Zur Darstellung des Herzens muss nun in einem flachen Winkel nach kranial, evtl. in Richtung der linken Schulter geschallt werden. Hierbei wird der linke Leberlappen als Schallfenster genutzt. Bei korrekter Darstellung wird ein in etwa senkrecht zur apikalen Anlotung stehender Vierkammerblick erzielt. Hauptziel im Rahmen der FAST-Untersuchung ist der Nachweis von Flüssigkeit im Perikard. Der Versuch einer Abschätzung der kardialen Kontraktilität und des Größenverhältnisses beider Ventrikel als Zeichen einer akuten Rechtsherzbelastung sollte in dieser Situation nicht erfolgen (▶ Kap.​ 8).

In der Anlotung FAST 1 wird der Schallkopf mit der Markierung nach kranial in der rechten Flanke sagittal aufgesetzt und aus der kraniokaudalen Ausrichtung mit dem kranialen Schallkopfende um etwa 30–45° nach dorsal rotiert (gegen den Uhrzeigersinn). Hier kann ein gutes Schallfenster zwischen 2 Rippen etwa im 8.–10. ICR in der mittleren bis hinteren Axillarlinie gefunden werden (◘ Abb. 3.2d). Dargestellt wird das Zwerchfell mit darunter liegender Leber. Die Eindringtiefe ist so zu wählen, dass der Recessus costodiaphragmaticus vollständig erfasst wird (in der Regel 15–20 cm). Besonderes Augenmerk wird auf die klare Identifizierung des Zwerchfells gelegt, da die Differenzierung in supra- (= intrathorakal) und subphrenische (= intraabdominell) freie Flüssigkeit erfolgen muss. Ein subphrenischer Flüssigkeitssaum ist häufig noch vor Auftauchen der freien intraabdominellen Flüssigkeit im Morison-Pouch (s. Position FAST 2) sichtbar und könnte bei bloßer Beachtung des Leberoberrandes als Hämatothorax fehlgedeutet werden. Ist die Lunge gut entfaltet und nicht überwässert, gleitet sie in der Inspiration wie ein Vorhang vor die Leber.

Für die Position FAST 2 wird der Schallkopf nach kaudal verschoben, bis am schallkopffernen Bildrand die Niere darstellbar ist. Um diese möglichst in ihrer Längsachse darzustellen, wird der Schallkopf zurück in eine kraniokaudale Ausrichtung gebracht. Dann wird der Raum zwischen Leber und Niere, der sog. Morison-Pouch , durch eine Kippbewegung des Schallkopfes auf das Vorliegen freier Flüssigkeit durchmustert (◘ Abb. 3.2e).

Die Positionen FAST 3 und 4 untersuchen die vergleichbaren anatomischen Regionen auf der linken Körperseite. Im Gegensatz zur rechten Seite wird der Schallkopf hier aus der kraniokaudalen Ausrichtung (Markierung wieder nach kranial zeigend) zunächst mit dem Uhrzeigersinn zwischen 2 Rippen rotiert, um ohne störende dorsale Schallauslöschung durch die Rippen, den Bereich ober- und unterhalb des Zwerchfells und um die Milz herum nach freier Flüssigkeit untersuchen zu können (FAST-Position 3, ◘ Abb. 3.2f).

Anschließend wird auch hier der Schallkopf nach kaudal bewegt, wieder eher kraniokaudal (in Nierenlängsachse) ausgerichtet und der Bereich zwischen Milz und Niere, der sog. Koller-Pouch , dargestellt (FAST-Position 4, ◘ Abb. 3.2g).

Eine weitere Prädilektionsstelle für freie Flüssigkeit befindet sich im perivesikalen Bereich. In der Position FAST 5 wird der Schallkopf quer zur Körperlängsachse direkt oberhalb der Symphyse aufgesetzt. Die Schallkopfmarkierung zeigt dabei zur rechten Seite des Patienten. Eine gefüllte Harnblase lässt sich ebenso wie perivesikale Flüssigkeit durch eine Kippung der Schallkopfebene hinter die Symphyse in Richtung kleines Becken gut darstellen. Zur Komplettierung muss der Schallkopf dann erneut in die Längsachse gebracht werden, um den Bereich zwischen Blase und Uterus, bzw. Blase und Rektum darzustellen (◘ Abb. 3.2h, ◘ Abb. 3.2i). Auch in diesen Schnitten wird der Zielbereich, analog zu den Positionen FAST 1–4, durch Kippbewegung des Schallkopfes jeweils von einem Ende zum anderen durchgefächert.

Selbstverständlich können alle Anlotungen auch in einer modifizierten Reihenfolge vorgenommen werden. Zu beachten ist, dass alle Pathologien der Schwerkraft folgen, freie Flüssigkeit also in abhängigen Regionen besser dargestellt werden kann, während Luft im Pleuraspalt beim Patienten in Rückenlage am besten anterior nachweisbar ist.



3.3 Pathologien in der Bilddarstellung


In der E‑FAST-Untersuchung wird nach akutmedizinisch relevanten Pathologien gesucht. Neben freier Flüssigkeit im Abdomen und im Thorax, sind dies der (Spannungs-)Pneumothorax und die Perikardtamponade. Einige dieser Pathologien werden im Algorithmus zur Herz-Lungen-Wiederbelebung des European Resuscitation Council (ERC) als reversible Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes genannt, entsprechend interessiert äußert sich das ERC in Bezug auf die zukünftige Integrierung der orientierenden Sonographie als Bestandteil des Advanced-Life-Support-Algorithmus (ALS-Algorithmus). Freie Flüssigkeit stellt sich in der Sonographie an- oder hypoechogen, im B‑Bild also schwarz, dar.


3.3.1 Freie Flüssigkeit im Abdomen


Prädilektionsstellen: Freie intraabdominelle Flüssigkeit sammelt sich typischerweise in den tiefstgelegenen intraabdominellen Arealen. An welcher dieser Prädilektionsstellen sich die freie Flüssigkeit zuerst nachweisen lässt, hängt nur z. T. vom Ort der Blutung, also der Organ- oder Gefäßverletzung ab. Einen relevanten Einfluss haben die anatomischen Beziehungen, die sich in Rückenlage hauptsächlich aus dem Zusammenspiel von Wirbelsäule und peritonealen Umschlagfalten ergeben. Durch die sich mittig nach anterior vorwölbende Wirbelsäule fließt freie Flüssigkeit zu den Seiten, durch die zusätzliche Lendenlordose sammelt sie sich schließlich unterhalb des Zwerchfells und im kleinen Becken. Die Ausbreitung der freien Flüssigkeit erfolgt über die parakolischen Rinnen, von denen die rechte tiefer als die linke liegt. Entsprechend ergeben sich die Prädilektionsstellen für freie Flüssigkeit unter dem Zwerchfell, im Morison- und Koller-Pouch sowie im kleinen Becken. Größere Mengen freier Flüssigkeit können auch interenterisch nachgewiesen werden. Zur Übersicht über die anatomischen Prädilektionsstellen und Ausbreitungswege freier Flüssigkeit, ◘ Abb. 3.3.


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Abb. 3.3
Prädilektionsstellen und Ausbreitungswege freier intraabdomineller Flüssigkeit (blau eingezeichnet) Morison- und Kollerpouch, parakolische Rinnen und suprapubische Region

Eine der abdominellen Prädilektionsstellen ist perihepatisch und somit in der Anlotung FAST 1 oder 2 subphrenisch oder im Bereich zwischen Leber und Niere (Morison-Pouch, ◘ Abb. 3.4). Eine weitere Prädilektionsstelle findet sich im linken Oberbauch perilienal (◘ Abb. 3.5). Gelegentlich kann in dieser Anlotung auch eine Milzruptur direkt nachgewiesen werden.


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Abb. 3.4
a Anlotung FAST 1 und b FAST 2. Freie Flüssigkeit perihepatisch


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Abb. 3.5
Freie Flüssigkeit perilienal

Bei Patienten mit führender Traumatisierung des Beckens, bei Untersuchung in aufrechter Position, z. B. beim eingeklemmten Patienten, oder wenn eine abdominelle Blutung bereits ein größeres Ausmaß angenommen hat und nach kaudal ausgelaufen ist, findet sich freie Flüssigkeit auch perivesikal (◘ Abb. 3.6). Dabei kann die freie Flüssigkeit lateral neben der Blase, zwischen Blase und Rektum beim Mann und zwischen Blase, Uterus und Rektum (Douglas-Raum ) bei der Frau nachweisbar sein. Am einfachsten gelingt der Flüssigkeitsnachweis bei gefüllter Blase. An dieser Position sollte auch nach freier Flüssigkeit interenterisch gesucht werden. Nach initialer Anlotung quer zur Körperachse sollte der Schallkopf in die Körperlängsachse rotiert werden, da die longitudinale Anlotung sensitiver zum Nachweis freier Flüssigkeit ist. In beiden Anlotungen sollte die Blase komplett durchgefächert werden, um auch kleine Blutungen zu entdecken. Gelegentlich kann bei katheterisierten Patienten der Cuff-Ballon des Blasenkatheters dargestellt werden.

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Apr 5, 2020 | Posted by in GENERAL RADIOLOGY | Comments Off on E-FAST

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